Pennine Way – Eine Wanderung in England
Im Juni 1987 fuhr ich mit Rucksack und Wanderausrüstung nach England um eine der großen Herausforderungen auf der Insel zu bewältigen: den Pennine Way. Für Engländer ist es das große Abenteuer im eigenen Land. Führt der Weg, teilweise zwischen den Industriegebieten von Manchester und Sheffield gelegen, doch über einsame Hochmoore und Hügel. An manchen Tagen gibt es nicht einen Pub am Wegrand oder diese sind nur über Umwege zu erreichen. Und dann musste der Wanderer auch noch zur richtigen Zeit dort ankommen (zu dieser Zeit gab es noch eingeschränkte Öffnungszeiten, „last order“ und so weiter …). Ich fuhr mit der Fähre auf die Insel (auch einen Tunnel gab es noch nicht), weiter mit dem Zug über London nach Sheffield, von dort bis Edale im Peak Distrikt National Park.
Natürlich habe ich mir unterwegs die Pennine Way Bibel zugelegt: A. Wainwright – The Pennineway Companion.
Mit einer großen Portion Humor hat Wainwright (zu dieser Zeit) den besten Reiseführer für die Wanderung geschrieben und gemalt. Das kleine Buch ist handschriftlich verfasst, der Weg ist skizziert und beschrieben, Besonderheiten in kleinen Zeichnungen dargestellt. Tatsächlich sind jeder Stein und jeder Pfahl am Wegrand aufgeführt. Das kleine Buch ist geschrieben für die Wanderung von Kirk Yetholm (Norden) nach Edale (Süden), der von Wainwright empfohlene Weg ist aber von Süden nach Norden. Weil man Karten nun mal Nordwärts hält, wird das Buch von hinten nach vorne geblättert und von unten nach oben gelesen. In England gewöhnt man sich an den Linksverkehr und auch an Bücher die dann halt rückwärts gelesen werden.
Der Pennine Way ist einer der großen englischen Wanderwege, der Längste und Anspruchsvollste. Die Idee für diesen Wanderweg stammte von Tom Stephenson aus dem Jahre 1935, am 24. April 1965 wurde das letzte Stück des Weges im Moor bei Malham feierlich eröffnet. Der südliche Ausgangspunkt ist Edale, der nördliche Kirk Yetholm hinter der schottischen Grenze. Dazwischen liegen Offizielle 268 Meilen (431 km) Wanderung. Allerdings kommen einige Meilen mehr dazu, wenn alle Zusatzwege zu den Übernachtungsmöglichkeiten, vom Weg abgelegene Attraktionen (Zitat Wainwright: „and less worthy attractions such as beer and sex“) hinzugerechnet werden. Der Weg, der oft genug nur ein Pfad und manchmal noch nicht einmal das ist, führt (von Süden nach Norden) durch den Peak Distrikt, die Yorkshire Dales und über die Cheviots bis zur schottischen Grenze. Er führt über die höchsten Erhebungen in diesen Gegenden wie Penyghent, Great Shunner Fell, Cross Fell und The Cheviot, durch hügelige Wiesenlandschaften und natürlich durch die verlassenen Moorgebiete. Diese Berge bilden das „Rückgrat“ der britischen Insel zwischen Irischer See und Nordsee, entsprechend pfeift der Wind – meist von Regen begleitet – über die Hügel. Wenn der Wanderer dazu noch bis zu den Knien im Moor steckt, steigt so langsam (ganz langsam) die Stimmung an.
Im Folgenden die einzelnen Etappen, Fotos und – soweit die Erinnerung noch da ist – eine kleine Beschreibung dazu.
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Tag 1: Edale – Crowden ~ 27 km
Regnerisch, feuchte Luft, keine Sonne, keine Wärme. Das Wetter beim Start war alles andere als einladend. Vom Edale-Hostel bis Edale Post Office sind es etwa zwei Kilometer. Das Post Office in Edale – gleichzeitig Gemischtwarenladen – war die letzte Gelegenheit sich mit Proviant einzudecken. Hier traf ich auf Jeff der sich mit Zigaretten eindeckte, den gleichen Plan hatte wie ich und in den kommenden Tagen mein Begleiter sein sollte.
Die Strecke führte gleich den Grindbrook Clough hoch. Steil hoch an einem kleinen Bach entlang, über Geröll und Felsen. Der noch ungewohnte Rucksack zerrte nach unten. Oben angekommen entschädigten erste Sonnenstrahlen und tolle Ausblicke für die Anstrengungen. Ich nahm etwas Essen zu mir, Jeff rauchte zufrieden. Auf dem Kinder Plateau angekommen sollte alles leichter werden. Von wegen. Hochmoor, tiefer Morast, jeder Schritt musste mit Anstrengung aus dem Torf gezogen werden. Kein Weg, hier und da ein Pfahl zur Orientierung, irgendwie die Richtung und das Gleichgewicht halten, durch ausgeschwemmte Torfkanäle ließ es sich besser gehen – solange die Richtung stimmte.
Vorbei an Kinder Scout und rüber ins nächste Moor, Bleaklow Plateau. A. Wainwright schreibt hier: “Lives have been lost on Bleaklow”. Ab Bleaklow Head geht es etwas einfacher und nach rund 25 km erreichen wir gegen 19.00 Uhr Crowden Hostel. In der Nähe keine Pubs, keine Shops. Jeff begann die Zigarretten zu rationieren und ließ ein paar jetzt für überflüssig gehaltene Sachen aus seinem Rucksack zurück.
Tag 2: Crowden – Globe Farm ~ 18 km
Das Wetter hatte sich etwas gebessert, auflockernde Bewölkung aber starker Wind. Die Füße brannten, die Schuhe noch nass, die Klamotten feucht. Der Weg beginnt spektakulär mit den Laddow Rocks und schönen Ausblicken die man in den Pausen im Anstieg genießen kann. Zum höchsten Punkt des Tages, dem Black Hill auf 582 m Höhe gibt es wieder reichlich Peat in den Schuhen. Danach in Richtung Wessenden werden die Pfade fester, vorbei am schönen Wessenden Waterfall bis irgendwo bei Marsden wo wir in der Globe Farm ein Bett fanden.
Tag 3: Globe Farm – Mankinholes ~ 20 km
Das Wetter war stabil, kein Regen, etwas wärmer. Der Weg nach Mankinholes war einfach, keine großen Höhenunterschiede, nur wenig Peat, einfach schöne Landschaft. Hoch zum White Hill (463 m) und weiter den M62 überquerend zum Blackstone Edge (473 m). Eine restaurierte römische Straße bewundernd weiter vorbei an den Wasserspeichern Blackstone Edge Reservoir – Light Hazzles Reservoir – Warland Reservoir über die die nicht weit entfernten Industriegebiete von Manchester und Sheffield versorgt werden. Am Nachmittag erreichen wir Mankinholes. Die Häuser hier sind aus großen dunklen Steinquadern gebaut, die Dächer mit Schieferplatten gedeckt, alles wirkt düster und etwas unheimlich. Nicht so die Menschen. Wie überall am Weg sind die Leute nett und freundlich, immer zu einem Gespräch bereit, oft gibt es Einladungen zu “Tea and Scones”.
Tag 4: Mankinholes – Haworth ~ 27 km
Von weitem schon war der 304 m hohe Stoodley Pike als Wegpunkt erkennbar. Das lag im Wesentlichen an dem auf dem Hügel errichteten gleichnamigen 37 m hohen Monument zum Gedenken an das Ende der Napoleonische Kriege 1814. Die Landschaft wurde etwas offener, die Wege nicht mehr so steil und gut zu gehen, kein Torfmatsch unter den Füßen. Hebden Bridge, Colden. Kleine schnuckelige Orte am Wegrand, einzelne Farmen, einzelne Wanderer.